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Ansprache anlässlich der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse von Frau Tie Ning,Vorsitzende des Chinesischen Schriftstellerverbandes

2009-12-15
 

Sehr geehrte Gäste, liebe Freunde, schönen guten Nachmittag!

Ich freue mich sehr, im schönen Oktober bei der Frankfurter Buchmesse 2009 dabei zu sein. Wahrscheinlich nähert sich Frankfurt im Oktober bereits dem Winter, aber Oktober ist eine Jahreszeit, die wir Chinesen gerne mit „goldenem Herbst“ bezeichnen, weil sie kostbare, reife Ernte bedeutet.

Chinas Ehrengast-Auftritt auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse ist ein Ereignis, das im breiten Fokus der chinesischen Kulturschaffenden und Medien steht, noch mehr erfüllt dieses Ereignis mich und die mich begleitenden über 100 chinesischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller mit Riesenfreude. Die recht einflussreiche Frankfurter Buchmesse ist der Karneval der Verlagsbranche der Welt, eine eindrucksvolle Begegnung der Schriftsteller und ein Galafest für Lesen und Kultur. Bei den Veranstaltern der Buchmesse möchten wir uns dafür bedanken, dass sie eine derart bunte und ausgedehnte Plattform für den Austausch zwischen chinesischen Schriftstellern und ihren Kollegen aus aller Welt ermöglichen.

Zugleich jährt sich die Gründung der Frankfurter Buchmesse dieses Jahr zum 60. Mal. Im Zeitalter des Internet und vor dem Hintergrund der ständigen Aufteilung und Zersplitterung unserer Konzentration brauchen wir mehr denn je so eine tragfähige Brücke, die die Kulturen der Kontinente miteinander verknüpft.

Einst sagte ein Dichter, dass die Nähe einer Nation zur Literatur über den Grad ihrer Gesamtqualifikationen entscheidet. An dieser Stelle möchte ich hinzufügen, dass die Nähe einer Nation zum Lesen ebenfalls über den Grad ihrer Gesamtqualifikationen entscheidet. China und Deutschland fühlen sich beide der Literatur und dem Lesen tief und traditionell verbunden.

Wie Sie alle wissen, ist China eine Kulturnation, es hat seit 5,000 Jahren eine ununterbrochene Zivilisationsgeschichte, der Druck mit beweglichen Lettern und die Papierherstellung, beide mit starkem Bezug auf Bücher, sind auch seine Erfindungen. Literaten im Altchina schufen mit Tang-Gedichten und Song-Versen als Vertreter eine glänzende chinesische Kultur, diese Klassiker, bis zum heutigen Tag fortgepflegt, bilden das Fundament der kulturell-psychischen Struktur der Chinesen und beeinflussen ihre ästhetische Vorstellung von Generation zu Generation. Wenn wir gelassene Seelengespräche mit unseren geistreichen und belesenen Ahnen führen, sehnen wir uns nach einer Sublimation unserer Wahrnehmung und unseres Lebensverständnisses. In China, ja sogar in entlegensten Dörfern nennen schlichte Bauern jene, die sie für intelligent halten, respektvoll „Gelehrte“. In China ist seit Jahrtausenden ein ganz übliches Phänomen zu beobachen, nämlich, wenn junge Männer und Frauen einander Bücher leihen, ist das höchstwahrscheinlich schon der Beginn ihrer Liebe. Bücher sind ein implizites und elegantes Medium zwischen ihnen, als wären sie ihre geistige Verfassung beleuchtende Sterne.

In dieser goldenen Jahreszeit und hier in Frankfurt fühlen wir uns ebenfalls von der auf diesem Boden entstandenen glänzenden Kultur berührt. Für unsere Welt hat die deutsche Nation große Meister der Kultur hervorgebracht, hierzu zählen Goethe, Schiller, Beethoven, Kant, Hegel und andere. Namen, die längst – Ozeane und Meere überquerend – im kulturellen Gedächtnis der Chinesen leben. Ferner weiß ich, dass neulich ein breit angelegtes Literaturprojekt „Poesie in die Stadt 2009: China“ in deutschsprachigen Ländern stattgefunden hat, aus diesem Anlass wurden kommerzielle Werbeplakate an Bushaltestellen und U-Bahnstationen, auf Strassen und in Geschäften in 11 Städten wie Berlin, Salzburg, Zürich und so weiter durch Werbeplakate für zeitgenössische Gedichte aus China ersetzt. Helene Grass, Tochter des von mir verehrten deutschen Schriftstellers Günter Grass, eine namhafte Schauspielerin, hat ihre Stadt verlassen, um Werke chinesischer Dichter zu lesen. Bei chinesischen Dichtern ist dies nun bereits eine gern erzählte Geschichte geworden. Auffällige und engagierte Öffentlichkeitsarbeit, Popularisierung und Partizipation in derart großem Stil stehen für die Aufmerksamkeit, die immer mehr Leser aus aller Welt Chinas Gegenwartsliteratur widmen.

Im Zeitalter der wirtschaftlichen Globalisierung und in einer Realität, wo das Wort "Tempo" uns alle jagt, fühle ich mich glücklich, dass wir uns hier versammeln und dem Lesen unseren Respekt erweisen können. Diesem materiellen Zeitalter schulden wir einen Dank für sämtliche Fortschritte und Bequemlichkeiten, die es uns ermöglicht, jedoch besteht die Grundlage unserer Existenz nicht nur aus enormen materiellen Kräften. Eine Gesellschaft mit reicher materieller Kumulation hat keine andere Wahl als eine weitere Sublimation ihrer Kultur, erst dann ist die Menschheit in der Lage, wahrhaft optimistische Energien für Frieden und Fortschritt auf unserem Planeten zu liefern, und ein Schreiber findet wohl auch in diesem Moment seine ewige Zuversicht.

Die Leser brauchen auch heute gute Literatur, eben weil Letztere die lebendigste Atmung einer Nation verkörpern, die vitalste und wesentlichste Mentalität einer Zeit vermitteln sowie das Höchstmass an Phantasie einer Nation in ihrer Zeit präsentieren kann. Ich glaube, das ist die wahre Erwartung vieler Autoren an sich selber. Schriftsteller sind kein Geschöpf der Leser, aber welchen Sinn hätten Schriftsteller ohne Leser?

Jetzt und hier stehen über 100 exzellente Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus China, alle meine Kolleginnen und Kollegen. Sie sind unterschiedlich alt mit verschiedenen Ambitionen in der Kunst. Die subtile und wagemutige Wahrnehmung der Realität durch sie, ihre scharfe und tiefgründige Ausschöpfung dessen, was tief im Geiste der Menschen sitzt, die Widerspiegelung des komplizierten und bunten Lebens der Leute im gegenwärtigen China, ihre helle und feste Hoffnung in die Zukunft und der gewandte Gebrauch der schönen chinesischen Sprache bilden zusammen Chinas unübersehbare Literaturlandschaftt. Chinas Schriftsteller haben ihre Bücher und Wünsche mitgebracht. Im letzten Jahr zählte China 275,000 Buchtitel, davon 150,000 Neuerscheinungen. Bedauerlicherweise sind es meistens chinesische Fassungen, so dass viele exzellente chinesische Schriftsteller und ihre Werke der Weltgemeinschaft noch unbekannt bleiben.

Wir wissen alle, dass die Renaissance, eine bedeutende Bewegung mit Ursprung in Europa, der Menschheit neue Morgenröte gebracht hat. Auch Ihnen allen ist bekannt, dass die alte chinesische Nation gerade eine in ihrer Geschichte nie dagewesene bewegende Wiedergeburt der Wirtschaft und Gesellschaft erlebt. Ich bin überzeugt, dass die wahre Wiedergeburt einer Nation keinesfalls ausschliesslich wirtschaftlicher Natur ist, sondern auch kultureller Art sein muss. Das Gedeihen jeder nationalen Kultur ist gemeinsamer Reichtum der ganzen Welt. Auch aus diesem Grund verbinden wir mit dieser Begegnung der Superlative unsere Hoffnung, durch Literatur in einen Austausch mit Schriftstellern und Lesern aller Länder zu treten. Dieser Austausch wird sich sicher inhaltsreich, interessant und erfreulich gestalten, fern von Angst und Neid. Weltweit löst wohl nur der Literatur- und Kulturaustausch keine Angst und Neid aus, oder? Wer würde Deutschland schon deshalb beneiden, weil der große Mann Goethe hier geboren ist? Und wer würde China schon deshalb beneiden, weil es die Heimat des großen Mannes Qu Yuan ist und der Roman "Traum der roten Kammer" hier entstanden ist?

Lassen wir uns gegenseitig anstarren. Ein gegenseitiges Anstarren wird unsere Sehnsucht nach der Perzeption fremder Kulturen wecken. Hier ist ganz sicher die Bewunderung anderer mit dabei, die Neuentdeckung des Ich, das Hinterfragen der Welt, die ewige Sensibilität gegenüber dem Leben sowie tiefe Sympathie für und Liebe zu unseren Mitmenschen. Auch im 21. Jahrhundert stehen diese Worte nach wie vor für positive Tugenden, nach denen sich die Menschheit sehnt.

Der große Mann Goethe hat einst in seiner Zeit die tief in unserem Geiste sitzende Passion und Verwirren mit folgenden Sätzen beschrieben: Die Seele und der Körper sind ewig unterwegs, um Ruhe zu finden. Egal, wo unser Ausgangspunkt im 21. Jahrhundert ist, finden wir diese beiden Sätze überall vor. Solche Sätze lassen mich wiederum eine andere große Herausforderung und Sehnsucht spüren, für eine Person, der das Schreiben eine wichtige Form des Lebens bedeutet, strahlen diese Sätze die Attraktion unbeugsamer Paradoxe aus.

In diesem Moment erinnere ich mich noch an einen Satz in "Gespräche von Konfuzius ", einer heiligen Schrift im Altchina: "Konfuzius sagt am Flussufer: Das Vergangene kommt nie wieder." In der Tat bleibt die Zeit nie stehen. Dennoch: wenn wir nah zum Lesen und zu sämtlichen guten Büchern der Welt sind, entstehen in unserem Herzen wohl Kräfte zum Zeitschaffen und unser Leben wird damit auch ums Zweifache verlängert. Lassen wir daran glauben, dass das Lesen auch in der heutigen Welt, in der jeden Moment unzählige Informationen entlang die Glasfasern fließen, nicht zu einem dekadenten Hobby der Menschheit degradiert wird. Lassen wir das Lesen gemeinsam besingen und lieben, lassen wir Büchern der Intelligenz, die unsere Seele ständig erhellen, Hochachtung beweisen, sie verleihen unserem Geist Freude, unserer Seele Licht, Himmel und Erde Wärme sowie dem Leben Duft!

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

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