Start   Bekämpfung COVID-19   Das Generalkonsulat   Konsularischer Service   Bildung und Kultur   Wirtschaft   Willkommen
in China
 
 Kontakt 
  Start > Bilateraler Austausch
Botschafter Shi Mingde über chinesisch-deutsche Beziehungen

2013-01-13
 

Herr Botschafter Shi Mingde hatte "Deutsch-Chinesische Allgemeine Zeitung" ein Interview gegeben, das in Ausgabe Nr. 19 / Januar 2013 veröffentlicht wurde.

DCA: Im Jahr 2012 wurde das „Kulturjahr Chinas in Deutschland" veranstaltet. Wie schätzen Sie den Erfolg ein?

Botschafter Shi: Der kulturelle Austausch ist ein wichtiger Bestandteil der chinesisch-deutschen Beziehungen. Es ist auch der effektivste Weg, das gegenseitige Verständnis zu fördern. Das "Kulturjahr Chinas" ist eine Plattform für den deutsch-chinesischen Austausch, die dazu beiträgt, die bilateralen Beziehungen in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur zu vertiefen. Obwohl die Aktivitäten nun enden, wird der kulturelle Austausch zwischen beiden Ländern fortgesetzt und intensiviert. Aktivitäten wie das "Jahr der Chinesischen Sprache 2013" werden den Deutschen auch in Zukunft Gelegenheit bieten, China besser kennen zu lernen.

DCA: Wie wird Bundeskanzlerin Merkel in China wahrgenommen? Frau Merkel bezeichnete die Beziehung zu China als „Sonderbeziehung". Sehen Sie das auch so?

Botschafter Shi: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sechs Mal China besucht. Das zeigt die große Aufmerksamkeit, die sie der Beziehung schenkt. Diese auf hoher Ebene stattfindenden Besuche sind nicht nur ein starker Impuls für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen,sondern auch Zeichen einer engen Beziehung und des gegenseitigen Vertrauens zwischen den führenden Politikern der beiden Länder. Die chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen im August letzten Jahres sind von großer Bedeutung für die Zukunft beider Länder. Es ist eine unbestreitbare Tatsache: Die chinesisch-deutschen Beziehungen stehen an der Spitze der China-EU-Beziehungen. Eine gute Beziehung zu Deutschland wird die Beziehung Chinas zu Europa fördern und umgekehrt.

DCA: Wie sehr wird in den chinesischen Medien das Thema Eurokrise und Deutschlands Rolle dabei aufgegriffen? Wird Deutschland eher positiv als führender Staat im Kampf gegen die Krise gesehen oder eher negativ als die Nation, die immer allen sagen will, wo es lang geht?

Botschafter Shi: China und Europa sind wichtige Volkswirtschaften in der Welt und bedeutende Handelspartner. Eine Vertiefung der Euro-Krise übt auch einen großen Druck auf das Wirtschaftswachstum Chinas aus. Nach der chinesischen Zollstatistik, von Januar bis September 2012, exportierte China in die EU in einem Umfang von 250.500.000.000 US-Dollar, dies bedeutet einen Rückgang um 5,6%. Die Medien berichten umfangreich über die neuesten Entwicklungen und Probleme, wie die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf die Krise reagieren, welche Auswirkungen die Krise auf den China-EU-Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit hat. Alle hegen die gleiche Hoffnung, dass Europa aus der Krise so schnell wie möglich herauskommt und sich die europäische Wirtschaft stabilisieren kann. Deutschland als stärkste Volkswirtschaft in Europa, Anker der europäischen Stabilität und Wachstums-Motor der Wirtschaft, spielt eine entscheidende Rolle bei der Schuldenkrise. Es ist wahr, dass die verschiedenen Länder sich in einer unterschiedlichen nationalen wirtschaftlichen Lage befinden und verschiedene Entwicklungskonzepte entwickeln. Sie haben verschiedene Vorstellungen, wie die Krise zu lösen sei. Aber wir glauben, dass die EU-Länder bereit sind und auch die Fähigkeit und Weisheit haben, zu vereinbaren, gemeinsam die Krise zu lösen und weiter die (europäische) Integration zu fördern.

DCA: In Europa, in Deutschland ist der Blick oft verengt: Menschenrechte, Dissidenten und Streitigkeiten mit Nachbarn werden beachtet, das vielfältige bunte Leben in China nicht. Was könnten Sie dazu beitragen, das Bild zu verändern?

Botschafter Shi: Die meisten Deutschen wissen nicht viel über die Geschichte, die Kultur und die nationale Situation Chinas, sondern kennen das Land lediglich durch Medienberichte, in denen leider immer wieder Vorurteile verbreitet werden. Viele Leute, die China besucht haben, sagten mir, das China, das sie kennen gelernt haben, sei ganz anders als in den deutschen Medien beschrieben. Ich glaube, die meisten Deutschen sind freundlich gegenüber China eingestellt und haben großes Interesse, das Land besser kennen zu lernen.

In den letzten Jahrzehnten schlug China immer einen friedlichen Entwicklungsweg ein und integrierte sich sehr aktiv und verantwortungsvoll in die Weltgemeinschaft. Gleichzeitig müssen wir uns - unabhängig davon, wie die Welt China betrachtet - auf die eigene friedliche Entwicklung konzentrieren, auf Reformen und die weitere Öffnung sowie auf Win-Win-Kooperationen.

DCA: Bis 2016 soll China den Marktwirtschaftsstatus erreicht haben. Wie frei wird der Markt in China für deutsche Unternehmen sein?

Botschafter Shi: Obwohl fast 100 Länder auf der ganzen Welt den Marktwirtschaftsstatus Chinas bereits anerkannt haben, ist er leider in den USA, Europa, Japan und einigen anderen Ländern aus politischen Gründen noch nicht anerkannt worden. Tatsächlich hat das Ausmaß der chinesischen Marktwirtschaft zugenommen und schon lange einen Anteil von 60 Prozent überschritten. Deswegen sollte der Status Chinas als einer Marktwirtschaft endlich anerkannt werden.

China ist sehr offen für deutsche Unternehmen. Bis Juni 2012 hat China insgesamt 7622 Investitionsprojekte deutscher Unternehmen zugelassen, darunter auch etliche zu 100 Prozent.

DCA: Pressemeldungen über chinesische Investitionen in Deutschland wirken in ihrer Häufung auf manchen bedrohlich. Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Deutsche in China eine Bedrohung sehen?

Botschafter Shi: Ich werde oft auf chinesische Investitionen in Deutschland angesprochen, das zeigt das große Interesse der deutschen Öffentlichkeit an diesem Thema, offenbart aber auch eine gewisse Skepsis.

Wir sollten dieses Thema umfassend betrachten. Auf der einen Seite sind die chinesischen Investitionen in Deutschland noch sehr gering, zurzeit gibt es etwa 2300 chinesische Unternehmensinvestitionen in Deutschland. Bis Juni 2012 hat China insgesamt 2.230.000.000 US-Dollar in die deutsche Wirtschaft (außer Finanzwesen) investiert, das entspricht nur zehn Prozent der deutschen Investitionen in China. Unter ausländischen Investitionen in Deutschland steht China damit auf Rang 27. Einige Medien suggerieren, China sei dabei, Deutschland aufzukaufen. Das ist völlig unbegründet. China hat weder die Fähigkeit noch die Absicht, Deutschland aufzukaufen. Andererseits ist Deutschland ein günstiger Ort für Auslandsinvestitionen chinesischer Unternehmen.

Die Investitionen chinesischer Unternehmen in Deutschland haben der Bevölkerung greifbare Vorteile gebracht, die lokalen Steuereinnahmen erhöht und Arbeitsplätze geschaffen. Diese Art von gesundem Wettbewerb fördert den gemeinsamen Fortschritt und die Entwicklung. Wir sollten unsere Kommunikation verstärken und gemeinsam die Herausforderungen annehmen, um unseren Beitrag zur Entwicklung der Weltwirtschaft und der Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der Stabilität zu leisten.

DCA: Im Westen schauen viele skeptisch auf den Prozess der Öffnung, auf die Entwicklung eines Sozialstaates verbunden mit dem Aufbau einer Rentenversicherung. In welchen Bereichen kann und will sich China noch weiter öffnen?

Botschafter Shi: Die Öffnung gegenüber der Außenwelt ist eine grundlegende Staatspolitik in China ebenso wie ein Sozialismus chinesischer Prägung. Der Bericht zum achtzehnten Parteitag hat auch darauf hingewiesen, dass China aktiver und offener sein muss. Das zeigt deutlich Chinas Entschlossenheit zur weiteren Öffnung. Die enormen Leistungen der letzten dreißig Jahre stehen in engem Zusammenhang mit der Öffnung und dem Willen, fleißig von ausländischen Erfahrungen zu lernen. China wird sich weiter öffnen und auf beiderseitigen Gewinn hinarbeiten. Aber China wird dies immer basierend auf den nationalen Bedingungen tun und nicht blind die Systeme anderer Länder kopieren.

Deutschland und China haben zahlreiche Kooperationsprojekte beschlossen. Diese betreffen beispielsweise juristische Fragen, deren Umsetzung, Überwachung und die Personalausbildung. Die chinesische Gesetzgebung im Bereich des Patentrechts, des Markenrechts und des Urheberrechts absorbiert viele nützliche deutsche Erfahrungen. Die zuständigen Ministerien beider Länder pflegen auch auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit regen Austausch und arbeiten eng zusammen, was u.a. Delegationsreisen nach Deutschland einschließt. Auch Institutionen wie die chinesische Renmin Universität, das Max-Planck-Institut und die Friedrich-Ebert-Stiftung werden in die Zusammenarbeit einbezogen.

DCA: Gibt es Ihrer Erfahrung nach für Chinesen in Deutschland eine Integrationsproblematik?

Botschafter Shi: Die Auswanderung von Chinesen nach Deutschland hat eine mehrere hundert Jahre lange Geschichte. Umsiedler kamen vor allem aus den Provinzen Zhejiang und Guangdong. Im Moment gibt es insgesamt 160.000 Chinesen in Deutschland, die sich gut in die lokale Gemeinschaft integrieren. Sie haben mit großen Anstrengungen die sprachlichen Schwierigkeiten überwunden und gründeten ihre eigenen Unternehmen. Mit viel Fleiß haben sie gute Ergebnisse erzielt in Gastronomie, Tourismus und anderen Branchen. Ich glaube, sie sind schon zu einem Teil der deutschen Gesellschaft geworden. Besonders erwähnenswert sind die Übersee-Chinesen, die einen großen Beitrag zur Wahrung chinesischer Kultur und der chinesisch-deutschen Freundschaft geleistet haben. Sie spielen eine besondere Rolle bei der Förderung der Entwicklung der chinesisch-deutschen Beziehungen. Integration in die Gesellschaft ist die Voraussetzung für den Schutz und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Übersee-Chinesen. Ich hoffe, dass sich diese in Zukunft weiterhin aktiv in die örtliche Gesellschaft integrieren, die Gesetze und Vorschriften des Landes befolgen, für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Gastlands einen Beitrag leisten, die Freundschaft zwischen den beiden Völkern fördern und auch neue Beiträge zum Aufbau Chinas leisten.

 

Suggest To A Friend
  Print