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In China wächst der Appetit auf deutsche Unternehmen

2011-08-19
China interessiert sich zunehmend für deutsche Firmen. Geld für Übernahmen ist reichlich vorhanden und der Börsenabsturz bietet gute Möglichkeiten für einen Einstieg. Das Interesse an einigen Branchen ist besonders groß.
Es geht Schlag auf Schlag: Erst vergangene Woche hat sich der chinesische Staat über die State Administration of Foreign Exchange (Safe) mit 3,04 Prozent am deutschen Rückversicherer Munich Re beteiligt. Kurz zuvor hatte sich der chinesische PC-Riese Lenovo für umgerechnet 630 Millionen Euro die Mehrheit an Medion gesichert, jenem Unternehmen, das durch seine Aldi-Computer bekannt geworden ist. Er stieß damit in eine Lücke, die entstand, weil sich deutsche Unternehmen immer weiter aus dem Geschäft mit Heimelektronik zurückziehen.

Und der Appetit ist damit noch lange nicht gestillt: Das Reich der Mitte sucht seit der Herabstufung der amerikanischen Kreditwürdigkeit stärker als je zuvor nach Anlagealternativen zu US-Staatsanleihen - und findet sie in der deutschen Wirtschaft. Der jüngste Börsenabsturz hat deutsche Konzerne billiger und damit zu möglichen Übernahmezielen gemacht - auch und gerade für chinesische Staatsfonds. So sagte der Chef des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, vor wenigen Tagen in einem Interview: „China hat hohe Devisenüberschüsse. Das Land nutzt die günstigen Kurse, um bei uns auf Einkaufstour zu gehen."

Jochen Gleisberg, Partner und Leiter des China-Desks bei der Strategieberatung Roland Berger, unterscheidet zwei grundsätzliche Beweggründe für chinesisches Engagement. Zum einen das Motiv Geldanlage, das er beispielsweise als Grund für den Einstieg bei der Munich Re ausmacht. Zum anderen gibt es Investitionen mit strategischer Absicht wie im Fall der Medion-Übernahme; bei letzteren erwartet Gleisberg „eine starke Zunahme".

Der Übernahmehunger der Chinesen beschränkt sich dabei keinesfalls auf Heimelektronik. Ihr besonderes Interesse gilt auch deutschen High-Tech- und Chemiefirmen sowie Maschinenbauern. „Die Branche beobachtet das mit Argusaugen", sagt Ulrich Ackermann, der die Abteilung Außenwirtschaft beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) leitet. Es komme immer mal wieder vor, dass chinesische Unternehmen deutsche Maschinenbauer übernehmen. Weil die Branche sehr mittelständisch geprägt ist, werde nicht einmal dem VDMA jeder Kauf bekannt. Ackermann sagt: „In der Regel verleiben sich dabei relativ große staatliche Unternehmen kleine deutsche Betriebe ein."

In chinesischer Hand sind beispielsweise die Maschinenbauer Dürkop Adler aus Bielefeld, Waldrich aus dem bayerischen Coburg, Schiess aus Sachsen-Anhalt oder Assyst Bullmer sowie Emag aus Baden-Württemberg. Vensys, ein Entwickler und Hersteller von Windenergieanlagen, gehört seit einigen Jahren mehrheitlich Goldwind aus China.

Für viele dürfte es wohl überraschend sein, dass auch der Flughafen Schwerin-Parchim einen chinesischen Eigentümer hat: den Frachtdienstleister Link Global Logistics aus Peking. Eine kleinere Transaktion war der Kauf des deutschen Bohrer-Spezialisten HPTec durch den Rohstoffkonzern Minmetals.

Ebenfalls im Fokus sind deutsche Autozulieferer. Übernahmen hier haben durchaus Größenordnungen im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Es kommt also verstärkt zu Übernahmen mit größeren Volumina. Prominente Beispiele sind der Klimaanlagenelektronikhersteller Preh, der Dichtungshersteller Saargummi sowie KSM Castings (ehemals Thyssen-Krupp Fahrzeugguss), ein Unternehmen dass unter anderem den Motoren-Unterbau für alle VW Golf produziert. Begehrlichkeiten weckt derzeit auch der Getriebehersteller Getrag.

Der Hauptanteil an Chinas Auslandsinvestitionen, die insgesamt einen Umfang von mehr als drei Billionen Dollar haben, geht von Behörden und Staatsunternehmen aus. Die zunehmenden Zweifel an der Sicherheit der US-Staatsanleihen treiben die chinesische Regierung dazu, ihre Geldanlagen zu diversifizieren und verstärkt in Unternehmensanleihen, Staatsanleihen des Euro-Raums sowie Anteile an Unternehmen zu investieren. China inszeniert sich derzeit einerseits als Retter der Weltwirtschaft und macht dabei andererseits exzellente Geschäfte.

Der Kauf ausländischer Firmen ist aber bei weitem nicht nur von Sicherheitsdenken und Renditestreben getrieben. „Die Chinesen wollen so vor allem an moderne Technologie kommen", sagt Ulrich Ackermann vom VDMA. „Mit einer Übernahme kaufen sie sich auch eine etablierte Marke und den Zutritt zum Markt."

Lenovo hat mit Medion eine starke Marke für das Privatkundengeschäft erworben, über die das Unternehmen seit der Übernahme der PC-Sparte von IBM mit Think Pad für Geschäftskunden bereits verfügt. Die Übernahme demonstriert exemplarisch die neue Strategie chinesischer Unternehmen: Sie wollen den Weltmarkt mit eigenen Marken erobern, mit Innovationen und Qualität glänzen, statt Westware nur zu kopieren oder im Auftrag zu produzieren. Das erinnert an Japan, Südkorea oder Taiwan. China aber wählt auf dem Weg nach oben eine Abkürzung und wächst durch Zukäufe. Der Staat hilft mit günstigen Krediten und diplomatischer Rückendeckung.

„Während chinesische Investoren noch vor wenigen Jahren vereinzelt auch in angeschlagene oder sogar insolvente Unternehmen investierten, engagieren sie sich jetzt vor allem bei starken Unternehmen, die oft sogar Weltmarktführer sind", sagt Roland-Berger-Partner Gleisberg. „Dafür zahlen sie sehr gute Preise."

Spektakulär große Übernahmen jedoch gelingen selten. Das liegt nicht nur am fehlenden Angebot auf dem Markt. So glückte es der China Development Bank nicht, die Dresdner Bank zu kaufen. Stattdessen kam die Commerzbank zum Zuge. General Motors verkaufte Opel letztendlich weder an Fiat noch an Magna aber auch nicht an den Pekinger Autobauer BAIC. Wenn es um viel Geld geht, agieren die Chinesen schwerfällig: Direktinvestitionen von mehr als 100 Millionen Dollar im Ausland muss sich ein Unternehmen direkt von der Regierung in Peking genehmigen lassen. Das kann Monate dauern.

Allerdings beobachtet Jochen Gleisberg:„Die Entscheidungsprozesse haben sich beschleunigt. Chinesische Investoren sind heute genauso professionell wie westliche Investoren." Folgerichtig bahnt sich derzeit ein spektakulärer Deal in Deutschlands Nachbarschaft an: Der Staatsfonds China Investment Corporation (CIC) will sich eine rund 30-prozentige Beteiligung am weltgrößten Versorger GDF Suez aus Frankreich bis zu drei Milliarden Euro kosten lassen. Auch das wäre allerdings kaum mehr als ein Hundertstel der von ihm verwalteten Summe.

Für China entspräche die Beteiligung an einem europäischen Energiekonzern der nationalen Investitionsstrategie. Denn Energie und Rohstoffe sind für das Wachstum essenziell. Der Ölkonzern Petrochina etwa plant, in den kommenden Jahren 60 Milliarden Dollar für Übernahmen auszugeben.

Es ist also durchaus vorstellbar, dass Deutschlands zweitgrößter Versorger RWE, der zurzeit auf der Suche nach frischem Kapital ist, in China fündig wird.

(Quelle: Handelsblatt,17.08.2011)

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