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China steigt auf - na und?

2012-11-14

Autor: Stefan Baron, Chefredakteur der "Wirtschaftswoche" und Chef der Unternehmenskommunikation der Deutschen Bank.

Kein Land fasziniert uns mehr als China. Und über kein Land gehen die Meinungen weiter auseinander. Die einen argwöhnen, China wolle die USA als Supermacht ablösen und künftig selbst die Welt dominieren. Die anderen halten das Land für einen Papierdrachen und sagen seit Jahren seinen ökonomischen Kollaps voraus.

Das eine ist so falsch wie das andere: China wird weder bald die Weltherrschaft antreten noch wirtschaftlich zusammen klappen. Wer einmal die supermodernen Flughäfen, glitzernden Shopping-Malls und Fünf-Sterne-Hotels der großen Metro polen verlasst und sich tief ins Landesinnere aufmacht, sieht, dass das Riesenreich noch ein riesiges Wachstumspotenzial hat: I

- Rund 150 Millionen Chinesen müssen nach wie vor mit umgerechnet weniger als einem US-Dollar am Tag auskommem. Das Land ist inzwischen zwar zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt hinter den USA aufgestiegen, hat aber erst ein Fünftel von deren Pro-Kopf-Einkommen.

- Etwa die Hälfte der über 1,3 Milliarden Chinesen lebt immer noch auf dem Lande. Bis 2030 sollen es 30 Prozent sein: Das bedeutet neue Hauser, Schulen. Krankenhäuser, Straßen für Hunderte Millionen Menschen.

- Der Konsum ist insgesamt noch unter-, die Sparquote dagegen deutlich überentwickelt.

- Chinas Wachstum kommt zunehmend aus dem Inlandskonsum. Derzeit wächst dieser etwa doppelt so schnell wie das Sozialprodukt insgesamt. Das Land wird damit unabhängiger vom Export und der schwachen Nachfrage in den USA und Europa.

- China hat im Hinblick auf (Energie-)Effizienz. Produktivität und Innovationskraft noch enorme Reserven.

- Und schließlich erfreut es sich vergleichsweise stabiler Staatsfinanzen und gigantischer Devisenreserven in Höhe von über 3,3 Billionen US-Dollar, verfügt also über großen politischen Spielraum zur Stimulierung des Wachstums.

Wir tun daher gut daran, uns auf einen weiteren Aufstieg Chinas einzustellen. Das muss uns keineswegs Bange machen, wir können uns imn Gegenteil darüber freuen, schon allein, weil dabei auch für uns beträchtliche Wohlstandsgewinne abfallen.

Das Schöne an dieser globalisierten Weltwirtschaft ist doch: Wir sind alle aufeinander angewiesen. China hat großes Interesse, dass seine enormen Dollar-Anlagen nicht noch mehr an Wert verlieren, als dies infolge der Politik des leichten Geldes der amerikanischen Notenbank ohnedies der Fall ist. Und verharrt Europa weiter in der Krise, kann das Regime in Peking das oberste Ziel seiner Außenpolitik, eine multipolare Weltordnung, nicht realisieren. Geht es Europa und den USA nicht wenigstens pasabel, dürfte es ihm schwerfallen, die zum eigenen Machterhalt nötigen 25 Millionen neuen Arbeitsplätze jährlich zu schaffen und ökonomisch weiter aufzusteigen.

Hinzu kommt die wachsende Unzufriedenheit der Chinesen über die gemeingefährliche Umweltverschmutzung, das erbärmliche Sozia- und Gesundheitssystem, die enormen Einkommensunterschiede und vor allem die zum Himmel schreiende Korruption und Günstlingswirtschaft. Ohne einen weiteren Reformschub, der insbesondere den roten Feudalismus zurückdrängt, droht den Machthabern irgendwann das Aus. Für solche Reformen ist ein günstiges außenwirtschaftliches und -politisches Umfeld ebenfalls unabdingbar.

Und es gibt noch einen weitern Grund, den Aufstieg Chinas gelassen zu nehmen: Der Konfuzianismus prägt bis heute die Kultur Chinas. In der gesellschaftlichen Rangordnung dieser Lehre rangiert der Gebildete, nicht der Krieger ganz oben, ihr höchster Wert heißt Harnomie. Chinesen lösen Konflikte daher am liebsten durch wechselseitige Arrangements. Der rechte Weg ist für sie der Weg der Mitte und Mäßigung. Sie denken überdies nicht in Dualismen oder Nullsummenkategorien, sondern additiv, dialektisch und ganzheitlich.

Alles spricht also dafür, dass Chinas (ökonomischer) Aufstieg weitergeht und die Welt von morgen eine multipolare sein wird, mit einem starken China auf Augenhöhe mit den USA - und wenn wir die Zeichen der Zeit erkennen und entsprechend handeln, auch mit einem vereinten, starken Europa. Eine Welt ohne Supermacht. Eine Welt mit mehr Wettbewerb, eine bessere Welt.

(Quelle: Handelsblatt, den 6. November 2012)

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